Donnerstag, 26. November 2009

TANZEN ALS LEBENSHILFE




Darmstadt Echo 2009


Pilotprojekt-Reinheimer Hauptschüler üben drei tage lang, auch Disziplin zu lernen Von Sonja Jordans



Reinheim: Die Titelmelodie zum Filmklassiker „Der Pate“ schallt durch den schmucklosen,nüchternen Raum der Reinheimer Mehrzweckhalle. “Ruhe bitte „ ermahnt Michele de Filippis(40) und gibt ein Zeichen. 20 junge Leute im Alter von etwa 15 Jahren fangen an zu tanzen: Sie schreiten durch den Raum, bewegen sich synchron und scheinen eins mit der Musik.
„Danke, das war gut“ lobt de Filippis im Anschluss und klatscht in die Hände. Die Jugendlichen freuen sich „ Das macht sogar Spaß“ sagt Serap (14) und fährt sich durch ihre langen Haare. „ Am Anfang war das nicht so, schließlich haben wir so etwas noch nie gemacht.“ Mit „so etwas“ meint Serap tanzen. Die Vierzehnjährige und ihre Freunde der achten Hauptschulklasse der Reinheimer Dr.-Kurt-Schumacher-Schule bewegen sich das erste Mal „richtig“ zur Musik. Seit Montag üben die Schüler unter Anleitung der Profitänzer Giuseppe und Michele de Filippis einen „Modern Dance“ zu Filmmusik, Klassik von Vivaldi und modernem „Drum and Base“ ein- während der Schulzeit, als Teil eines Projektes zur Persönlichkeitsstärkung.

SELBSTBEWUSSTSEIN FÜRS VORSTELLUNGSGESPRÄCH

„Das Projekt soll den Jugendlichen ein anderes Körpergefühl vermitteln“, erläutert Klassenlehrerin Carina Meir (28). Sie entdecken so neue Seiten ihrer Persönlichkeit und werde selbstbewusster.“ Das helfe ihnen unter Umständen, sich in einem Bewerbungsgespräch aufrechter zu präsentieren.“ Mit diesem Projekt erleben sie, wie es ist gemeinsam etwas zu erarbeiten.“ Und noch etwas ist für Meier wichtig: Hauptschüler werden oft unterschätzt. Bei diesem Projekt können sie beweisen, was wirklich in ihnen steckt.“
Der Workshop – eine Kooperation zwischen der Dr.-Kurt-Schumacher-Schule und der Stadtjugendpflege Reinheim – ist ein Pilotprojekt. Finanziert haben es der Förderverein der Schule, der Magistrat der Stadt Reinheim sowie die Schüler selbst – mit 15 Euro pro Person. Stadtjugendpflegerin Jutta Kirsch, die mit den Brüdern de Filippis Tanzworkshops für Jugendliche außerhalb des Unterrichts angeboten hat, stellte den Kontakt zu den aus Italien stammenden Tänzern her.

HIER SOLL NIEMAND TÄNZER WERDEN


„Für uns ist das Projekt ebenfalls neu“, sagt Michele de Filippis. „Wir hatten sonst nur mit Menschen zu tun, die freiwillig gekommen sind.“ Die Schüler der Klasse H 8 jedoch hätten „antanzen“ müssen. „Das hat man anfangs gemerkt“, räumt Giuseppe de Filippis ein. „Zuerst waren alle sehr lt, sie haben kaum zugehört und nur lustlos mitgemacht.“ Mevlana (15) nickt. „Ich mochte die Aktion nicht.“ Inzwischen haben sie ihre Meinung aber geändert – zumindest ein wenig. „Hier soll ja auch niemand Tänzer werden“, sag Giuseppe de Filippis, „Wir wollen den Jugendlichen zeigen, dass Tanzen mehr ist als rumhopsen zu Musik, nämlich Disziplin, Respekt, Koordination und Rücksicht.“ „Und das“, ergänzt sein Bruder Michele, „sollte man auch im Alltag anwenden.“ Und die Arbeit scheint Früchte zu tragen: „Die Schüller gehen besser miteinander um, hören zu und strengen sich an“, sagt Giuseppe. Der Tanz, den die Jugendlichen einstudieren, stellt den Konflikt zwischen älterer und jüngerer Generation dar.
Lehrerin Meier tanzt ebenfalls mit „Ich bin gespannt wie das wird“, sagt sie. Denn die größte Herausforderung steht der Klasse noch bevor: „Sie führt den Tanz vor Eltern und Freunden auf“, sagt Meier. Serap jedenfalls ist schon ganz aufgeregt. „Das muss gut werden“, betont sie. „Schließlich wollen wir zeigen, was wir in nur drei Tagen gelernt haben.“

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